Die gesetzlichen Grundlagen für Raumtemperaturen in Betriebsstätten sind verpflichtend durch den Unternehmer einzuhalten. Dabei sind die folgenden Aspekte zu beachten:
Fürsorgepflicht
Wie bei allen anderen Grundsätzen und Grundlagen der Arbeitssicherheit gilt auch bei der Raumtemperatur im Büro, in der Werkstatt und in jeder anderen Betriebsstätte zunächst der Grundsatz der Fürsorgeverpflichtung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer. Laut dem § 618 Abs. 1 des bürgerlichen Gesetzbuch gilt für die Fürsorgepflicht am Arbeitsplatz: Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit so weit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.
Arbeitsstättenverordnung
Diese doch eher allgemein gehaltene Vorschrift wird in der Arbeitsstättenverordnung konkretisiert. Unter § 3A 1 wird darin festgelegt: Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass von Ihnen keine Gefährdung für die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten ausgeht. Dabei hat er den Stand der Technik und insbesondere die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach Paragraph sieben Abs. 4 bekannt gemachten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen. Bei Einhaltung der im Satz zwei genannten Regeln und Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass die in der Verordnung festgestellten Anforderungen diesbezüglich erfüllt sind. Wendet der Arbeitgeber die Regeln und Erkenntnisse nicht an, muss er durch andere Maßnahmen die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz der Beschäftigten erreichen.
Technische Regeln für Arbeitsstätten
Die technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) stellen eine Konkretisierung der Arbeitsstättenverordnung für die Anwendung in der Praxis dar. Sie werden vom Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) erarbeitet und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlicht.
In Arbeits-, Pausen-, Bereitschafts-, Sanitär-, Kantinen- und Erste-Hilfe-Räumen, in denen aus betriebstechnischer Sicht keine spezifischen Anforderungen an die Raumtemperatur gestellt werden, muss während der Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren, der körperlichen Beanspruchung der Beschäftigten und des spezifischen Nutzungszwecks des Raumes eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur bestehen.
Konkrete Anforderungen an die Raumtemperatur, allgemeine und spezifische Regelungen in der ASR A3.5
Somit ist schonmal umrissen, dass bei der Arbeit, unter Berücksichtigung der Körperhaltung während der Tätigkeit und der Arbeitsschwere, eine Mindesttemperatur gewährleistet sein muss. Die Körperhaltung bei der Arbeit wird in sitzende Tätigkeit und stehende bzw. gehende Tätigkeit unterschieden. Der Schweregrad gliedert sich in leicht, mittel und schwer.
Mindesttemperatur
Die ASR A 3.5 gibt für leichte Arbeit, die im Sitzen durchgeführt wird eine Mindesttemperatur von 20 Grad Celsius vor. Bei mittelschwerer Arbeit liegt dieser Wert bei 19 Grad Celsius. Eine schwere Arbeitsbelastung im Sitzen ist in dieser Vorschrift nicht vorgesehen und somit auch nicht bewertet. Bei stehender oder gehender Körperhaltung bei der Arbeit ist die vorgesehene Mindesttemperatur bei einem leichten Schweregrad 19 Grad Celsius. Bei einem mittleren Schweregrad liegt dieser Wert bei 17 Grad Celsius und bei schwerer Arbeit im Stehen oder Gehen ist ein Wert von 12 Grad Celsius ausreichend. Was leichte, mittlere und schwere Arbeit ist, wird ebenfalls in der ASR A 3.5 definiert. Mir persönlich fällt es zwar schwer, diese Definition wirklich ernst zu nehmen, trotzdem möchte ich sie hier wiedergeben. Als Beispiel für leichte Arbeit wird leichte Hand- bzw Armarbeit bei ruhigem Sitzen bzw Stehen, verbunden mit gelegentlichem Gehen definiert. Mittelschwere Arbeit nach dieser Vorschrift ist mittelschwere Hand-, Arm-oder Beinarbeit im Sitzen, Gehen oder Stehen. Schwere Arbeit, und das überrascht jetzt, ist schwere Hand-, Arm-, Bein- und Rumpfarbeit im Gehen oder Stehen. Diese Angaben bzw. Vorgaben beschreiben die einzuhaltenden Mindesttemperaturen unter den jeweiligen beschriebenen Voraussetzungen.
Maximaltemperatur
Auch die Maximaltemperatur in Arbeitsräumen wird um diese ASR benannt, sie liegt bei 26° Celsius. Allerdings gilt dieser Wert nur bis zu einer Außenlufttemperatur bis zu eben diesem Wert, nämlich 26 Grad Celsius. Wenn die Außenlufttemperatur 26° Celsius übersteigt sind durch den Arbeitgeber Maßnahmen zu treffen um den Wärmeeintrag durch Sonneneinstrahlung in den Arbeitsräumen so weit zu reduzieren, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen der Mitarbeiter weitestgehend vermieden werden.
Maßnahmen zur Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen
Übersteigt die Raumtemperatur im Sommer den Wert von 30 Grad Celsius, sind wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der Beanspruchung der Beschäftigten zu ergreifen. Dabei gehen, wie bei allen arbeitssicherheitsrelevanten Maßnahmen, technische und organisatorische Maßnahmen vor personenbezogenen Maßnahmen.
Die ASR nennt hierzu Beispiele wie außenliegenden Sonnenschutz, effektive Steuerung von Lüftungseinrichtungen, Reduzierung des Einsatzes elektrischer Geräte, Nutzung der Nachtkühle durch öffnen der Fenster nach Feierabend, Arbeitszeit Verlagerung oder auch der Lockerung von Bekleidungsregelungen.
Wird die maximale Raumtemperatur von 35 Grad Celsius erreicht, so ist der Raum für die Zeit der Überschreitung ohne technische, organisatorische und persönliche Maßnahmen nicht als Arbeitsraum geeignet. Warten Sie als Führungskraft nicht darauf, dass Ihre Mitarbeiter Sie auf solche Missstände aufmerksam machen. Stellen Sie durch regelmäßige Überprüfung der Raumtemperatur bei entsprechenden Wetterlagen sicher, dass Sie agieren können, anstatt auf Beschwerden zu reagieren. Das ist der Grundsatz der Prävention und der Fürsorgepflicht.
Die beschriebenen Werte bilden den gesetzlichen Rahmen für die Raumtemperatur im Büro und alle anderen Arbeitsstätten im Sinne des Arbeitsschutzes. Allerdings ist hier zu beachten, dass diese Werte für die gemessene Temperatur der Luft ist. Das Behaglichkeitsgefühl des Menschen wird aber auch durch warme oder kalte Oberflächen positiv oder negativ beeinflusst. Auch können trotz eingehaltener Grenzwerte bei der Lufttemperatur Zugluft-Erscheinungen individuell bei Mitarbeitern Unwohlsein oder auch Krankheit hervorrufen. Besonders beim ungeplanten und undurchdachten Einsatz von Klima-, Kühl- und Heizgeräten sind diese Erscheinungen zu beobachten. Das besonders dann, wenn auch der Nutzungszweck und die körperliche Beanspruchung, die Arbeitszeiten und die angewendeten Arbeitsverfahren am jeweiligen Arbeitsplatz bei dem Einsatz und der Planung von Maßnahmen keine Beachtung finden. Somit sollten wir uns als Arbeitgeber und/oder Vorgesetzter immer in erster Linie nicht nur auf objektiv messbare Größen verlassen, sondern die individuelle Fürsorgepflicht gegenüber jedem einzelnen unserer Mitarbeiter im Auge behalten. Die ASR A 3.5 kann und darf nur ein Richtwert zur Erfüllung unserer Verpflichtung unseren Mitarbeitern gegenüber, die im § 618 des BGB beschrieben sind, sein. Dieser Grundsatz gilt selbstverständlich auch für die ab 1. September 2022 geltende Energieeinsparverordnung.
Die Kernbotschaft der Arbeitssicherheitsgesetze ist die Einhaltung und Erhaltung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten
Natürlich ist es Ihre unternehmerische Entscheidung, ob sie die Temperatur im Büro dauerhaft auf 19 Grad Celsius absenken und dadurch eine mögliche Unzufriedenheit bei Ihren Mitarbeitern provozieren, eventuell sogar ein Ansteigen des Krankenstandes. Oder ob sie im Sinne des § 618 des BGB die Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeiter an erste Stelle stellen, dafür aber höhere Energiekosten und eventuelle Ordnungsgelder riskieren. Da es eine der Gesundheit zuträgliche Raumtemperatur gibt, gibt es auch das Gegenteil davon. An dieser Stelle muss ich an einen meiner ehemaligen Arbeitgeber denken, der ein weltweit agierendes Handelshaus jahrelang erfolgreich geleitet hat. Von mir auf sein starkes soziales Engagement gegenüber seinen Mitarbeitern angesprochen, fing er an zu lachen und sagte:“ Ich bin nicht sozial engagiert und auch ganz bestimmt nicht mitarbeiterfreundlich. Aber ich weiß, dass zufriedene Mitarbeiter produktive Mitarbeiter sind.“